Vom Nutzen der Kultur

” Das Gefühl der menschlichen Ohnmacht ward ihr ein köstlicher Genuss.” schreibt Flaubert auf S. 608 und hat damit vorausgesehen, wie es sich anfühlt, wenn man schon 1,5 Stunden in der Schlange steht, um sich einzuklarieren. Ein Computer für alle, jeder Vorgang dauert ungefähr 15 min und die Schlange ist eher zu lang. Vor mir steht ein Amerikaner, der von Alaska, also die amerikanische Westküste runter, durch den Panamakanal in die Karibik gesegelt ist und hier eine Art Segelschule betreibt. Er fragt an, ob ich ihm helfen wolle, er sei etwas oldfashioned. Der hat Nerven!

Ich selbst denke mir, das ist hier so, als wolle man einer Klasse einen Film zeigen, nur klappt das irgendwie nicht. Daher der Hang zur Ohnmacht.
Auf der Nachbarinsel St.Lucia ist die Chose noch kurioser. Alles wird mit Blaupapier als Durchschlag von Hand ausgefüllt. Meinetwegen, aber ich wüsste jetzt gerade nicht, ob man dies noch in Hamburg überhaupt bekommt. Stark war eigentlich auch Frau Oberwichtig, die in eine schmucklose Uniform gezwängt, passte wohl schon mal besser, hinter einem viel zu mächtigen Schreibtisch saß und genußvoll donnernd in die Pässe stempelte, wenn sie vorher herrisch “Next one ” gebrummt und in endlicher Zeit ihre ganzen unnützen Utensilien abgewischt hatte.
Da bekommt man ein anderes Gefühl menschlicher Ohnmacht.
Flaubert, Kind des 19. Jhrds, beschreibt in Emma eine Frau, die sich über die moralische Konvention ihrer Zeit hinwegsetzt um ” mit gerafften Röcken” ,wie der Germanistikprof in Marburg treffend bemerkte,” über den Acker zu ihrem Liebhaber zu eilen.”Man denke jetzt nur an die Schuhe, Stiefel, Stiefeletten, wahrscheinlich. Das Ganze wirkt zunächst ja doll, ist im Grunde aber stockkonservativ, weil die Figur sich zwar nimmt, was sie möchte, aber eben eher manisch, depressiv, also etwas balla ist. Beeindruckend bleibt der Stil: Im Augenblick größter Spannung ( Emma will mit ihrem Liebhaber durchbrennen), verliert sich unser literarisches Vorbild in langweiliger Beschreibungen des Ortes, um im kleinkindlichen 3 Wortsatz zu sagen. “Er kam nicht”.
Da ärgere ich mich nun, weil Simon, unser französischer Mechaniker, eben auch nicht kommt bzw. nicht um 16.00 Uhr zurückgerufen hat, wenn er 12.00 Uhr gesagt hat. Am Ende hat sich dann doch alles geregelt, aber ich bedanke mich bei Flaubert, dass die Lektüre ein köstlicher Genuss gewesen und die Wartezeit auf den Mechaniker verflogen ist.

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