Zeitverschiebung

Angekommen auf St. Martin stelle ich den Wecker auf halb Acht, damit ich am morgigen Samstag rechtzeitig bei den Fischverkäufern am Stand bin, um frischen Thunfisch zu kaufen. Kommt man um 9.00 Uhr, ist alles ausverkauft. Eine Selbstverständlichkeit wird hier zur Mangelware. 

Nach meinem ersten Tee fragt Jörg: ” Sag mal, ist heute überhaupt Samstag oder doch eher Freitag?” Eine Irritation, die ich bei meinem Kaptain nicht so kenne, weshalb ich irritiert auf das Handy schaue, was hier die Funktion einer Küchenuhr übernimmt. Es sagt mir ziemlich klar: Freitag, 12.Mai. Was ist hier eigentlich auf dem Schiff passiert?

Hinter uns liegt die Überfahrt von den BVIS zurück nach St. Martin. Die Wettervorsage sagte 6 kn Wind aus Nordost. Die Entscheidung war schnell getroffen : losfahren. Wir brechen  um 23.30 Uhr am Mittwoch auf und erwarten unsere Ankunft ETA ( estimated time of arrival) gegen 16.00 Uhr auf St. Martin. Alles läuft soweit gut, wir “rüsseln ” uns durch die Riffe von Virgin Gorda, die Elektronik liefert genaue Angaben über den Kurs. Als wir bei Fallen Jerusalem die Kette der BVIS verlassen, kommt kräftiger Wind auf. Leider nicht aus Nordost, sondern aus Südost mit 20kn und damit genau gegenan.

Gewitter aus Nordwest

Der Vollmond verrät das Böse kommend. Dunkle Wolken ziehen auf in der Nacht. Wir können genau zwischen dunkel, noch dunkler oder ganz schwarz unterscheiden. Es wird auch das, was wir erwarten, die Vorhersage aber nicht gesehen hat, ein Gewitter. Es ist zunächst backbord ( links) und ich denke mir , links ist nicht von vorne oder mittendrin.Der Donner lässt lange auf sich warten, was mich beruhigt. Irgendwie dreht die Chose dann die Richtung und verfolgt uns von hinten. Da sieht man sie dann in vollem Ausmaße: Blitze, die wie grelle, giftige Strahlen vom Himmel zucken und auf dem Wasser einen Moment beinahe stehen bleiben, um ihre ganze Macht zu demonstrieren. Insgeheim zähle ich die Sekunden bis zum Aufprall/ Donnern. Wie hieß das noch in dem Lied? ” Zurück darf kein Seemann schauen”. Jörg gibt die Parole aus, sich auf alles vorzubereiten.

Was heißt das nun genau ? Die wichtigsten Sachen bereitlegen und die Aufmerksamkeit hochschrauben. Ich entscheide mich für mein ‘Heiligtum’, was mein Portemonnaie mit wichtigen Fotos und Kreditkarte ist, Handfunkgerät und Pässe inclusive Schiffpapiere. Als Jörg fragt: ” Liegt ein Messer bereit, um die Rettungsinsel losschneiden zu können?”, wird mir unheimlich. Mir fällt auch ein, dass andere Segler erzählt haben, dass man bei erheblichem Seegang kaum in die Rettungsinsel kommt. Besser man schmeißt sich gleich darauf . Aber geht so etwas gut? Das Meer ist schwarz . Als es irrsinnig über mir kracht, gehe ich rein und denke, im Bauch des Schiffes bist du sicherer. Durchhalten ist angesagt und keine Fehler machen. Wir wechseln uns sehr häufig ab, einer liegt im Salon, der andere geht Wache. Wie schön ist es, wenn man mal liegen kann. Das Gewitter dauert 6 Stunden. Mein zentraler Gedanke ist, das Meer ist groß und so ein scheiß Blitz muss jetzt nicht genau in unser Schiff einschlagen. Das Meer ist doch groß genug. Der Wind nimmt zu und erreicht 20kn. COURANTE pflügt durch die See. Beide Maschinen arbeiten schwer und manchmal schaffen wir gerade 4 kn Fahrt, weil auch die Strömung gegen uns ist. Als ich Wache habe, stelle ich mir vor, was 2 mal 40 horsepower bedeuten, um 8 Tonnen Masse durchs Wasser zu ziehen. Ein Gespann mit 16 Pferden habe ich wohl mal in Redefin gesehen. Das war was! Die konnte ein Kutscher nicht halten. Eigentlich horche ich eher auf den Sound der Maschinen und habe dies Bild vor Augen aus dem Film ” Das Boot”, wie Johann, das Gespenst, in seinem durchgeschwitzten Zustand mit einem Hörrohr die Zylinder der Maschinen abhorcht wie ein Arzt ein schwer fieberndes Kind. Die gleichmäßige Arbeit der Maschinen beruhigt.

Angekommen

Mit dem aufkommenden Morgen verzieht sich das Gewitter in Wetterleuchten weit hinter uns. Kurzfristig dreht der Wind auf Nordost und wir können Segel setzen, was sofort mehr Fahrt bringt. Wir fahren noch den Donnerstag durch, bis wir am Nachmittag Marigot Bay erreichen.

Der erwartete Samstag ist ein Freitag, weil Besatzung und Schiffsführung sich bei der Überfahrt von Mittwochnacht auf Donnerstag zu sehr verausgabt haben.

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