” Nur für Verrückte”

Herrmann Hesse schreibt 1927 sein vielleicht bestes Buch: ” Der Steppenwolf “. Bestes, weil er entgegen seiner sonstigen Sinn suchenden Innerlichkeit hier experimentiert und expressionistisch wird.

Harry Haller, die Hauptfigur, entflieht dem kleinbürgerlichen Mief, um in ein Kabinett einzutreten. Literarisch drückt sich das Spießige im unangenehmen Geruch eines Treppenhauses aus. So jedenfalls in der Erinnerung unseres Freundes Nosef und in meiner. Wikipedia behauptet, der genauere Gesichtspunkt sei eine Arankarie, eine eher langweilig symmetrische Pflanze, die für die Sehnsucht nach bürgerlicher Ordnung stände.

Harry begibt sich in besagte neue Räume, die ” Nur für Verrückte” vorgesehen sind, und jeder junge Germanist überschlägt sich beim Ergreifen eines Sinnzusammenhanges. Kein Sein im Nichtsein und so. Mir erschließt sich der Sinn heute ganz augenfällig:

Das Handy klingelt um 5 Uhr morgens. Den ersten Tee trinken wir im Dunklen. Leichter Nieselregen perlt vom Cockpit, der Wind ist etwas böig. Vor uns liegen 200 Meilen, von St. Kitts nach Martinique. Kurs 156 Grad, der Wind kommt etwas südlicher als Ost. Zum Glück steht das Vorsegel und COURANTE will durch die Welle. Vor uns liegen 3 große Zeitfenster: ein Tag, eine Nacht und ein Tag. Das Ganze entspricht in etwa der Geschwindigkeit einer Postkutsche.

Als ich auf dem Tisch sitzend Müsli esse, sehe ich in der Ferne mein Alter Ego auf dem Balkon eines Kreuzfahrtschiffes, was Harry bestimmt als ein Verschlagensein in urbane Plattenbauten wahrgenommen hätte. Die Betrachterin aus der Ferne fragt in diesem Moment: ” Sind die da nicht ein bisschen verrückt?”

Beim kalten Bier in der Grande Anse von Martinique freuen wir uns über die gelungene Überfahrt.

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