Anfang Mai steht die Sonne mittags senkrecht am Himmel. Die Saison geht dem Ende zu, und die Segler ziehen sich in ihre unterschiedlich gewählten Ziele zurück, um der Hitze oder auch dem drohenden Hurrikan zu entfliehen.Wir genießen die letzten Tage auf den BVIs und haben Hartmuth, unseren Freund aus Hamburg, an Bord. Mit einem weiteren Mann an Bord ändern sich die Abläufe, und ich kann mich aus dem Tagesgeschäft zurückziehen. Hartmuths frischer Blick von außen führt dazu, dass wir diverse Verbesserungen machen können, und beide Männer sind häufig ins Fachgespräch vertieft, wenn es darum geht, ob nun links oder rechtsrum gedreht wird.Wir haben viel Spaß zusammen und herrliche Segeltage.
An einem jener unbeschwerten Nachmittage, während das Schiff mit 7 kn Fahrt über das Wasser jagt, bewaffne ich mich mit der Angel und lege das 50 fache pro Knoten an Leine aus, wild entschlossen, nun endlich einen Fisch zu fangen. Die beiden Männer äußern sich schon despektierlich , nach dem Motto: “ Die alte Frau, der Fisch und das Meer“, bzw. korrigieren sich schnell in “ Die Frau, der Fisch und das Meer“. Mein Interesse ist aber durchaus im Sinne Hemingways, ich suche, leicht übermütig durch die fehlenden Fische geworden, den Kampf zwischen Mensch und Natur. Nur nicht metaphorisch, sondern ganz konkret als Sushi oder Sashimi, zumal ich seit Martinique sämtliche Zutaten spazieren fahre. Sarah, eine Segelfreundin, hat mir auch vorgeschwärmt .“Wenn du erst mit „ihm“ ( er erhält später den Namen Heinz) kämpfst, musst du erst Leine geben, damit er müde wird und mit der Angel peitschen, damit der Zug gleichmäßig bleibt. Überhaupt brauchst du einen Fischerbelt, denn du hältst “ ihn“ ( späterer Heinz) sonst gar nicht.
So sitze ich nun gleichsam monströs ausgestattet mit Fischer- und Lifebelt ( vorsorglich gedacht, damit ein möglicher „Heinz „mich nicht ins Meer zerrt und ich hilflos hinter ihm hergezogen werde ) und warte. Dann reißt es mir an der Angel, dass ich erst denke, der Haken hätte sich am Fels verhakt. Ich kann den Zug kaum halten und arbeite wie besessen daran, die Leine einzuholen. Kalter Schweiß steht mir auf der Stirn, und es kostet ungeheure Kraft. Hemingway beschreibt seitenlang den Kampf des Fischers mit dem Marlin und ich fange an zu hoffen, dass mein Kandidat kein Monster ist. Phasenweise wird die ganze Angelegenheit so derartig anstrengend, dass Jörg hilfreich einspringt und übernimmt. Ich will es dann wissen und schmeiße mich mit der angespannten Angel fast hin, damit ich in der vermeintlichen anschließenden Ruhepause einholen kann. In der Wende , die wir fahren müssen, um nicht an den Klippen von Beefisland zu zerschellen, ist die Enttäuschung groß, weil ich keinen Widerstand mehr spüre. Sein letztes Aufbäumen beginnt, bis er/Heinz auf der untersten Stufe des Steuerbordrumpfes zum Liegen kommt. Er bewegt sich auffällig wenig, schaut aber mit seinen großen Augen vorwurfsvoll zu mir hoch und sagt irgendwie: „Ich hab da was im Maul, mach das da weg!“
Heinz ist leider ein Barrakuda mit auffällig unangenehmen Zähnen, die mich bedrohlich zu fokussieren scheinen. Ich sehe nicht, wie ich ihm auf den Schädel schlage. Erst als Jörg ihn mit Rum betäubt hat und Hartmuth vom Steuerstand kommentierend dazwischen ruft: “ Doch nicht von dem guten Zeug!“, wage ich den Patienten von seiner Malesse im Maul zu befreien, was eine ziemliche Würgerei wird. Der Fisch Heinz ist hin und wir übergeben ihn dem Meer, weil er am Ende der Nahrungskette als möglicher Ciguateraträger nördlich von Martinique nicht genießbar sein soll. Er war ein Fisch von wirklich schöner Gestalt.
Lb. Inge,
Mit meinem Samsung komme ich in Deinen Block. Du hast Deinen Kampf mit Heinz sehr amüsant und doch nachvollziehbar geschildert. Hat Spass gemacht zu lesen.
Hoffentlich habt Ihr noch eine entspannte Zeit mit Eurem Freund ohne Hurrikan.
Liebe Grüsse
Deine Elke