Living large

ist eine amerikanische Redewendung.

Irgendwo zwischen Petit Martinique und Petit St. Vincent gibt es einen Sandhaufen im Meer mit einem alten, etwas verkommenen Sonnenschutz aus Palmenblättern . Dieser Ort hat eine magische Anziehungskraft, weshalb viele Segler, kurz nachdem sie gerade erfolgreich geankert haben, sofort wieder aufbrechen, um mit dem Dingi dorthin zu fahren.

Wir also auch. Schon von See aus kommend wirken die Besitzverhältnisse klar verteilt. 4 Leute sitzen unter dem kleinen Palmendach. Daneben, deutlich Raum greifend auf Regiestühlen kunstvoll platziert, befinden sich vier Frauen, die durch ihre gleichen Sonnenbrillen etwas gelangweilt dreinschauen. Über ihnen weht ein weißer Pavillon. Vom Personal fürsorglich versorgt dümpeln die Getränke im Schatten. Man begrüßt sich freundlich und beobachtet einander.

Björn und ich entscheiden schnell, dass die Menschen unter dem Palmendach interessanter sind und setzen uns nach kurzer Vorstellungsrunde dazu. So lernen wir Carol und Gary mit Sohn und Enkelkind kennen. Schnell sind wir im Gespräch und verabreden uns für später, der klassischen Blauen Stunde, um 17.00 Uhr am Strand. Jörg kommt später auch dazu und wir diskutieren lange über amerikanische und deutsche Politik.

Als wir 4 Wochen später in Grenada vor Anker liegen, kommen Carol und Gary mit dem Beiboot vorbei. Wir erinnern uns an die kleine Insel und Gary erzählt, dass jene Ladies im Regiestuhl zumindest gefragt haben, wie weit sie ihren weißen Pavillon ausdehnen könnten. Carol und Gary nehmen uns ‚ an die Hand‘ und führen uns in die Szene der Prickley Bay ein.

Morgens um 7.30 Uhr gibt es auf Kanal 66/ UKW die sogenannte Funkrunde, damit wird kommuniziert, was dem Segler wichtig ist. Wetterbericht, medical needs, social events, treasures of the bilge ( das sind Dinge, die man verschenken oder verkaufen will), Bustransfers in die Stadt und kommerzielle Angebote. Es ist ein richtiges Netzwerk. Das Jogaangebot nutzen Gaby und ich später, nach Volleyball steht uns bei der Hitze nicht so der Sinn. Jeden Tag gibt es eine unterschiedliche Veranstaltung, an der man teilnehmen kann. Wenn man wirklich mal Hilfe braucht, findet man hier verlässliche Strukturen.

Viele Amerikaner liegen hier länger in der Prickley Bay, leben ganzjährig an Bord und gehen zum Teil ihren Geschäften nach. Was für sie vielleicht Riten geworden sind, ist für uns Neuland. Wir sind viel mit den Amerikanern unterwegs und gerade ihr lockerer Umgang ist erfrischend. Neben den sozialen Aktivitäten entdecken wir auch kulinarische Besonderheiten: Sei es den französischen Schlachter / Le boucher mit seinen Pasteten oder den leckeren Lunch im Restaurant der Medizinischen Hochschule Grenadas. Über einen Hügel hinweg in der Secret Bay gibt es jeden Montag um 10.00 Uhr den besten Fruchtsaft der Welt.

Aus den Begegnungen werden Freundschaften auf Zeit. Ich genieße die Zeit mit Julie, einer ehemaligen Rennreiterin. Leider findet sich auf der Insel keine Gelegenheit auszureiten. Wir schnorcheln und sie zeigt mir, wo sich die Langusten unter den Felsvorsprüngen verstecken und wie sie zu fangen wären. Von ihr lerne ich auch, wie man am leichtesten vom Wasser aus ins Beiboot kommt. Man sorgt nicht für ein Gegengewicht, sondern begibt sich auf die selbe Seite, damit der Einstieg möglichst niedrig wird. Statt richtig auf dem Pferd zu sitzen, galoppieren wir mit den Beibooten über das Wasser.

Unser Leben hier bekommt den sogenannten Agua Dulce Effekt. Man möchte verweilen, weil man sich wohl fühlt, dazugehört und auskennt. Wir entscheiden, dass COURANTE während der nächsten Hurrikanzeit hier in der Spice Island Marina verbleibt. Hoffentlich sehen wir uns alle wieder oder “ Hope to see you up island“.

Als wir zum Abschied abends bei uns an Bord sitzen, meint Julie: „Sailing is large living“. Die Übersetzung von Google bietet ‚ großzügig leben‘ an, was es aber nicht so ganz trifft. Für mich ist es eher die großzügige Auswahl an interessanten Begegnungen und Zufällen, sei es auch auf einem kleinen Sandhaufen mitten im Meer.

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