Die Blaue Stunde

“ Die „Blaue Stunde“ ist unwirkliche Zeit zwischen Tag und Nacht, in der besondere Dinge geschehen.“ Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt“, kommt die Stunde des “ Blue Moon“ , der “ Stairways to the Stars“ verspricht “ Plaisir d‘ amour“.“ So umwirbt das echtzeit studio aus Hamburg /Winterhude den anstehenden Liederabend mit Songs von Greta Keller.

Für Madame Bovary galt noch, sich geschickt aus dem Hause zu stehlen, bevor die Hausfrau sich am abendlichen Tische wieder einzufinden hatte. Viel Zeit für ein erotisches Abenteuer hatte sie bestimmt nicht, wenn sie von 17.00 bis 18.00 Uhr unterwegs war. Man bedenke hier die langen Wege mit der Kutsche. Wo wartet der Kutscher? Was ist, wenn er petzt?

Die Blaue Stunde gibt es als internationales Ritual in der wirklichen Zeit. Für uns hat sie sich sehr bewährt. Hier heißt es, spontan neue Menschen anzusprechen und kennen zu lernen. Unklar ist doch zuerst, ist man sich sympathisch? Wieviel Zeit hat man zusammen? Hat man den gleichen Weg? Eine solche Einladung bedeutet zunächst, dass in der Ausgestaltung der weiteren Beziehung alles offen ist. Als Gast bringt man die Getränke und eine Kleinigkeit zu essen mit, weil man nicht den Proviant des anderen auffuttert. Im Verlauf der maritimen Plaudereien wird sehr schnell deutlich, ob man um 18.00 Uhr geht oder ob man noch zum gemeinsamen Essen bleibt, was zumeist mit einer Gegeneinladung beantwortet wird.

In dem Zusammenhang gibt es allerlei Merkwürdigkeiten. Dazu gehört zum Beispiel, dass man nach Möglichkeit nicht die Toiletten des gastgebenden Schiffes benutzt. Das hat vielleicht den Hintergrund, dass man damit in den privaten Bereich eines Bootes vorstößt, den man unaufgefordert nicht betritt. Ausnahmen gelten hier für Männer, die einfach ihr Dinghi, das launig hinter dem Schiff angebunden wartet, „angucken “ gehen.

Ein klares Zeichen, dass man sich mag, ist das “ Ich komme eben mal rüber“, notfalls auch geschwommen. Dabei empfiehlt es sich, sich durchaus lautstark bemerkbar zu machen. Schließlich kommt man von hinten angeschwommen. Weiß man immer, wo der Kutscher wartet? Nein.

Mit dem Auflösen der Blauen Stunde und ihren Ritualen entfallen alle Umständlichkeiten und die Beziehungen sind herzlich und verläßlich. Zum Abschied, wenn man als Schiff die Szenerie verlässt, wird nicht nur gewinkt, sondern auch schon mal ins Horn geblasen.

Dann heißt es wieder: “ Wie blau ist das Meer? Wie groß kann der Himmel sein?“

One thought on “Die Blaue Stunde

  1. Antje Olma says:

    Liebe Inge,
    ich danke Dir für die „blaue Stunde“ in Bild und Text.
    Immer wieder sind Deine Texte und all die wunderschönen Bilder meine ganz persönliche „blaue Stunde „, völlig unabhängig von der realen Tageszeit. In der Phantasie begleite ich Euch/Dich und lasse mich in die ganz besondere Magie Deiner Texte und Bilder hineinziehen. Träume mich in andere Welten und Zeiten.
    In der Realität hatten wir seit dem 5. April einen höchst ungewöhnlichen Hochsommer im Frühling. Temperaturen bis 28 Grad führten zum Schnelldurchlauf der Blüten. Die Muscari blühten noch, da gingen die Kirschblüten auf, nur um drei Tage später von den Apfelblüten abgelöst zu werden. Jetzt blühen Äpfel, Flieder und Maiglöckchen gleichzeitig, jeden Abend grillt ein anderer Nachbar und ginge nicht die Sonne relativ früh unter, wäre die Sommerillusion perfekt.
    Genießt Euer Unterwegssein, die Treffen mit all den neuen Bekannten/Freunden, all die Möglichkeiten der „blauen Stunden“.
    Liebe Grüße Euch
    Antje und Leo

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