Mittwoch
Im Flieger bin ich abgelenkt durch Gabys Schmonzette: Maiken Nielsen, „Unter uns der Wind“. Zwei englische Jungmütter im Flieger erregen meine Aufmerksamkeit. Die eine ist vorher im Nagelstudio gewesen und ihre futuristischen langen Wimpern wirken eher aufgeklebt.
Sie verschafft sich Freiräume, indem sie die mitreisende Familie einspannt, das Kind auch mal alleine spielen lässt und zum entsetzten Entzücken der anderen Mutter/ Zwillingsmutter zur medialen Waffe greift. Ausgestattet mit Kopfhörern und bruchsicherem iPad, beides stilsicher in pink gehalten, ist das Baby so ferngesteuert, das ihm unbemerkt die Flasche aus dem Mund fällt.
Die andere Mutter schaut neidisch ablehnend hinüber und fragt unausgesprochen ihren Mann : Warum machen wir das nicht? Die Haare aufgelöst, nicht gegessen, nicht geschlafen, muss sie abwechselnd eins der beiden Kinder auf den Arm nehmen und beruhigen. Der Vater fragt selbst beim Wickeln noch nach. Sie weiß auch alles besser. Er wird wahrscheinlich demnächst in ein Elektronikgeschäft gehen.
Beim Zoll in Grenada laufe ich wieder in die Frauenfalle und muss die mitgebrachte Backskistenverschlüsse mit 30% verzollen. Jörg wählt einen Zollbeamten und kommt mit unseren anderen Ausrüstungsgegenständen problemlos durch.
Donnerstag
Der Tag vergeht wie im Zeitraffer. Das Schiff ist eine Gerümpelkammer und irre dreckig. Wir schaffen es noch vor der Mittagshitze, den Sonnenschutz anzubringen. Jules und Frank besuchen uns auf der Werft und laden uns zu einem Barbeque am Freitag ein. Das Wiedersehen ist herzlich, leider muss Frank die Näharbeiten für das Beiboot verschieben. Als wir gerade ein 1/4 der Putzarbeiten fertig haben, tauchen auch unsere Werftnachbarn Konny und Hermann auf. Wir freuen uns alle, schimpfen über Dreck und Hitze und verabreden uns abends zum Essen. Da sind wir dann gedanklich wieder in Deutschland: das kühle Wetter ( lecker!) und bequemes Wohnen ( auch schön! ).
Freitag
Der Tag wird für uns zum Schwarzen Freitag. Die Batterie ist wieder tiefenentspannt und wehrt jeden Ladeversuch ab. Der erste Kontaktversuch zu Mastervolt Deutschland endet irgendwo erfolglos im weltweiten Netz. Jörg entwickelt verschiedene Szenarien, die alle nicht gut sind. Ohne es zu diskutieren, steht die Frage im Raum: Warum tun wir uns das an? Wir könnten das Schiff auch verkaufen und mit dem schönen Geld schön bequem als Passagier rumsegeln. Lass uns doch Babies sein .
Trotz der Freude, die anderen wiederzusehen, trotz der guten Soulmusik , – trotz ist irgendwie wie ein Klotz – , bin ich traurig und zweigeteilt. Selbst während der Fahrt im Beiboot kommt mir die Luft merkwürdig schwül vor, das Wasser dunkel und schwarz. In der Schleppleine taumelt die eigene Seele hinterher.
Samstag
Was macht man mit einem lustlosen Schüler? Man gibt ihm Struktur und formuliert erreichbare Ziele. So liegen wir in unserem klimagekühlten Appartement , das neben der Werft ist, und überlegen, was wir wie und wann schaffen wollen. Die Verkaufsidee ist indirekt motivierend. Aufhübschen, Werterhalt und Funktionsfähigkeit werden zur neuen Leidkultur.
Von Konny und Hermann lernen wir, dass wir auf der Werft professionell “ betreut“ werden. Steven, der Manager, ist ein Organisationstalent und echt zuverlässig. Wir lassen hier in der Spice Island Marina das Unterwasserschiff streichen, Absperrventile für das Motorkühlwasser und den Backbord Propeller gängig machen. In Sachen Mastervolt geht hier nichts, da werden wir Montag mit Deutschland telefonieren müssen.
Abends sind wir mit Konny und Hermann unterwegs. Es gibt es gute Musik. Leider wird die Stimme der Sängerin etwas zu sehr von dem Keyboardspieler übertönt. Es ist entsetzlich laut. Ganze Familien sind unterwegs. Irgendwo schreit ein Baby dazwischen. Es beruhigt sich trotz des Lärms auch wieder.
Sonntag
Unser Tagesziel: weiter sauber machen und die Leinen einziehen, die sich noch als buntes Durcheinander darstellen.
Vom Nachbarschiff tönt laut und sehr amerikanisch ein Mann : „Hey, guys. Don’t worry, I am watching you. You are doing a good job. I am learning by watching.“ Jedenfalls stellt sich heraus, dass Ben ein Schiff gekauft hat und nun voller Sorge ist, ob es seiner Frau wohl auch gefallen werde. Er schaut mich dabei erwartungsvoll an. Ich weiß nur, dass ich vor 2 Tagen das Schiff am liebsten verkauft hätte und komme mir mit meinen Ratschlägen wie eine Verräterin vor.
Nach 3 Jahren Golf sucht Ben nun neue Herausforderungen. Wir verstehen uns auf Anhieb und gehen am Abend zusammen aus. Ben will uns am nächsten Tag beim Einziehen des Großsegels helfen, damit er weiß, wie es geht. Wir finden den Vorschlag ziemlich gut.( ziemlich schwere Arbeit) Seine vielen Fragen und sein Konzept learning bei watching lenkt uns zwar immer ab, hebt aber unsere Stimmung ungemein. Außerdem hat er einen guten Musikgeschmack.
Montag
Der Tag ist gut und schlecht. Gut, weil der Kontakt mit Mastervolt in Deutschland klappt und unser vermeintliches Katastophenproblem sich als Bedienfehler darstellt, was immer die schönste Fehlerquelle ist.
Als Ben an Deck kommt, findet er es sehr befremdlich, dass wir morgens um 6.00 Uhr schon und dann so laut telefonieren müssen. Die Zeitverschiebung zu Deutschland ist schnell erklärt. Warum das bisschen Schlaf mehr auf der Werft so wichtig ist, sollen wir später erkennen.
Um 8.30 Uhr kommen die echten Werftarbeiter. Die jungen Männer arbeiten an der ALLEGRIA von Konny und Hermann. Sie unterhalten sich über das Wochenende, lachen sehr viel. Ich verstehe nur Bruchstücke, weil sie Creole sprechen. Es erschließt sich schnell, dass der ganze Schlagabtausch über Sex geht. Der eine hat Liebeskummer und wird liebevoll von den anderen wieder aufgemuntert. Dafür kümmert er sich darum, dass Ben seinen guten Soundtrack wieder laufen lässt.
Zu dritt schaffen wir das Großsegel einzuziehen und liegen anschließend ganz glücklich geduscht in unserem runter gekühlten Apartment, als uns die unheilvolle Botschaft erreicht, dass wir ausziehen müssen. Das Apartment war nur für 4 Tage gebucht.
Die erste Nacht an Bord wird unvergesslich unterirdisch.
Dienstag:
Ich entwickele für mich den Knall mit dem Glanz und hole mir Rat bei einem der Arbeiter, der immer schon geschaut hat und alles für eine question of cleaning hält. So schaut er mir auch über die Schulter und sorgt dafür, dass ich die Sicherheitsmaßnahmen einhalte und auch ja alles richtig mache. Es geht mit Säure an den Belag und siehe da, wie im Chemieunterricht löst sich das Salz von alleine. Es stinkt entsetzlich.
Zusammen polieren wir noch das Schiff. Jörg lässt sich dann leider von Ben zu einem Drink an Bord abwerben. Und so liegen die beiden entspannt im Trapez vorne und feixen und machen Sprüche. Ich muss mich aber nicht mehr emanzipieren und bin stolz auf den sichtbaren Erfolg meiner Arbeit.
Mittwoch
Um 10.00 Uhr geht es ins Wasser. Die Maschinen laufen, und so fahren wir erstmal raus, bis Jörg in einem unerwarteten Windstoß seinen Panamahut verliert.
Jules fragt später, ob wir ein Problem gehabt hätten. Wir lachen und befinden, dass es doch eine nette Idee ist, um den eigenen Hut zu kreisen, statt um sich selbst.
Von meinem iPad gesendet