Von vielen Seglern haben wir schon von der Arie mit der Overtime gehört gehabt. Der wirkliche Zusammenhang erschließt sich mir in der Marigot Bay auf St. Lucia.
Frühmorgens brechen wir in Canouan auf, um in einem langen Schlag an St. Vincent vorbei nach St. Lucia zu kommen. Gegen 16 Uhr sind wir da, packen die Segel ein und erfrischen uns mit einem Bad. Anschließend will ich einklarieren und mache mich auf den Weg. Das Büro ist zwar offen, aber weit und breit kein Mensch zu sehen. Ich möge mich doch an den Officer mit der auffallenden Frisur halten.
An der Bar entdecke ich einen weiß gekleideten, relativ jung wirkenden Offiziellen, der durch seine gebleichten im Afrolook abstehenden Haare besonders hervorsticht. Mein 1. Fehler besteht darin, dass ich ihn bei seinem Cocktail störe. Zum Glück nimmt er ihn mit ins Büro. Ich frage ihn, ob er sich die Haare wohl gefärbt habe.
Im Büro verändert er schlagartig seine Gangart. Wo denn meine Papiere seien ? Überhaupt müsste ich ja seine Arbeitszeit zusätzlich mit 50US$ bezahlen. Ich habe gerade meine Brille auf und meine bloß harmlos, dass er mich irritiere, was der 2. Fehler ist. Er versteht nun gar keinen Spaß mehr und wird richtig böse. Er weist mir die Tür und schimpft, ich würde ihn nicht respektieren, obwohl er 25 Jahre den Job mache und der Obermeister aller Offiziellen sei. Seine Augen sind bedenklich schlitzig und er schwitzt. Schließlich wird er auch noch laut und droht : „Wenn ich einen von der COURANTE an Land erwische, kostet das 1000 US$ !“( Jörg ist zwar an Bord, aber Björn zeitgleich im Ressort im Kraftraum)
Irgendwie hänge ich in der Luft und bin plötzlich mit meinen 63 Jahren von den Launen dieses Menschen abhängig. Ich hole tief Luft und versuche zu erklären, dass irritieren ja durchaus humorvoll gemeint sein könne. Allein mein Gegenüber will es nicht verstehen. Da schwenke ich dann doch besser um und bitte wie ein verzweifelter Schüler um eine zweite Chance. Wenigstens lässt er schon mal die Tür los.
Ich darf die legendären Zettel ausfüllen! Zwei Däninnen kommen dazu, erklären sich aber sofort bereit, 50US$ Overtime zu bezahlen. Damit bieten sie keinen Zündstoff für ihn. Ich fülle brav alles aus, sage zu dem Geld aber nichts. Er schaut mich finster an und meint: „100 ECDollar“, was 38 US$ entspricht, die ohne Quittung in einer Schublade verschwinden.
Ich fahre sofort zum Schiff zurück und bin mindestens noch zwei Stunden sauer, weil die Rolle des Ausgeliefertseins sich unangenehm anfühlt und Korruption für Europäer ungewöhnlich ist.
(Besser man erklärt sich nicht selbst)
Lieber Jörg, wir gratulieren Dir ganz herzlich zum Geburtstag und wünschen Dir alles Liebe und Gute für das neue Lebensjahr. Weiterhin viel Spaß und viele interessante Erlebnisse und Gäste.
Sei von Herzen gedrückt
Antje und Leo