Über die Frau an Bord

 Im Augenblick lese ich Balzac : “ Die Frau von dreißig Jahren“ , ein großartiger Entwurf über die Ehe, die konfligiert mit der Liebe, was mich veranlasst, über die Frau von 60 Jahren, die in die Anforderungen des Bordlebens verstrickt ist, nachzudenken.

So wird man nicht mehr in einer Kutsche passiv durch die traumhafte Landschaft Frankreichs kutschiert, sondern ist mit erheblicher Anstrengung an der Fortbewegung selbst beteiligt, was denn auch mal so aussehen kann, dass die Seefrau bevorzugt auf allen Vieren aufs Vorschiff robbt, um die Segel auszuwechseln. Begleitet wird die Aktion mit dem Gefühl in einem rasenden Fahrstuhl zu sein, der zudem auch für intensive Abkühlung sorgt. Aber das war ja mal, als man noch keine Rollfock hatte. War aber auch schön, als man wieder wohlbehalten zurück im Cockpit war. Das nennt man auch Respekt vor der See.

Heute robbt Frau deutlich weniger, ist aber durchaus froh über ein breites Repertoire an Bewegung. Zumal die Segel zwar nicht mehr auf den Rahen , so doch aber in schwindelnder Höhe von 5m auf schwankendem Schiff vom Bimini/Art Zwischendeck/Sonnenschutz stehend zusammengelegt werden. In diesen Augenblick wünscht man sich noch mehr Hände und Arme zu haben. Aber will Frau so aussehen? „On a l’air jolie „, wie Mariama immer meint, an lackierte Fingernägel ist an Bord nicht zu denken. Auch wenn mancher Skipper seine Seefrau in High Heels übers Deck gehen sieht, ist dies wohl eher den Sirenen geschuldet.

In der Rolle als Hilfsskipperin kann es durchaus mal passieren, dass Frau im Sekundenschlaf den Bewegungen und Geräuschen des an der Kette zerrenden Schiffes folgt, als sei die Aufmerksamkeit einem Neugeborenen gewidmet, weil man in Windeseile aufschreckt und reagieren muss.( Irgend etwas ist bei Regen und Wind immer lose). Gerade noch warm und kuschelig wirft dann schnell die Frage auf: „Wozu das?“ Zumal Frau auch noch komplett durchnässt ist.

Am nächsten Morgen freut man sich, dass das Ganze ja selbst gewählt ist. Neulich habe ich mir auf der Überfahrt von Martinique nach St. Lucia bestimmt 2 Stunden lang angesehen, wie die fliegenden Fische von unten gejagt durch Raubfische von oben verfolgt durch Seevögel mit dem Wechselspiel von Fliegen und Tauchen sich zu retten suchten. Jeden Abend gibt es wieder den spektakulären karibischen Sonnenuntergang, wenn innerhalb von 10 min die glutrote Sonne ins Meer abtaucht. Wasser fühlt sich unterschiedlich weich an und hat einen eigenen Duft, wenn man da ist, wo es mehr Blautöne gibt, als man kennt.

Eigentlich ist mit der Formulierung, dauerhaft Sommerferien im Süden zu haben, die Situation gut abgebildet. Frau entwickelt wieder Muße, sich mit nutzlosen Dingen zu beschäftigen und verliert sich wie ein Kind in der Zeit ähnlich wie in einem Garten.

Was nun die Balzacsche Frage angeht, muss ich ganz klar sagen, dass die Story “ boy meets girl “ eben jeden Tag neu erzählt, besser selbst gestaltet wird, gleichgültig ob nun mit 30 oder 60 plus.

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