Blick aus der blauen Hängematte

 

In den letzten zwei Wochen, die wir auf Cozumel, einer mexikanischen Insel vor der Küste Yucatans verbracht haben, konnten wir eine Menge über Tourismus lernen. Nicht zuletzt Dank unserer Freundin Karola, die sich seit 25 Jahren mit der Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus in Mittel- und Südamerika befasst.

Zur Skizzierung vielleicht ein paar Zahlen. Die Insel ist ca. 45 km lang, 16 km breit und beherbergt ungefähr 80000 Einwohner, die aber nur auf ca. 10% der Insel wohnen. Der Rest ist weitgehend den Naturparks vorbehalten, deren Schutz auch von Politik und Verwaltung hohe Priorität eingeräumt wird. Zugleich ist die Insel aber ein sehr beliebtes Ziel als Kreuzfahrtdestination. Zum Vergleich: Hamburg, unsere Heimatstadt, erlebte in den letzten Jahren einen Boom des Kreuzfahrttourismus mit bis zu 180 Schiffsbesuchen pro Jahr. Keineswegs zur Freude aller Bewohner, da speziell die Frage der Luftverschmutzung durch die Dieselabgase, der auch im Hafen weiter laufenden Stromaggregate, keineswegs gelöst ist.

Cozumel hat den Besuch von ca. 1800 Kreuzfahrtschiffen pro Jahr zu bewältigen. Dazu kommen noch Tagestouristen vom Festland, das nur 40 Fährminuten entfernt liegt, und eine kleinere Gruppe Hoteltourismus. Der Yachttourismus spielt mangels attraktiver Marinas und Ankerbuchten nur eine untergeordnete Rolle.

Die Naturparks mit Flamingos, wild lebenden Krokodilen, verschiedenen Land- und Wasserschildkröten und, und, und tragen neben den Zeugnissen der Maja Kultur, für die Cozumel vor der spanischen Eroberung eine große sakrale Bedeutung hatte, (Haupttempel der Fruchtbarkeitsgöttin Ixchel) und den hervorragenden Tauch- und Schnorchelmöglichkeiten in den Ausläufern des weltweit zweitgrößten Barrierriffs zur großen Beliebtheit dieser touristischen Destination bei. Neben internationalen Sportveranstaltungen (Ironman) gibt es noch jede Menge weiterer Veranstaltungen für die Touristen und Insulaner. Diese komplette Ausrichtung auf den Tourismus bringt neben Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten auch die für den Tourismus typischen Probleme mit.

Ich liege in meiner blauen Hängematte im 3. Stock eines Hauses auf dem Balkon und schaue dem Treiben unter mir zu. Über azurblaues Wasser läuft der Fährverkehr nach Playa del Carmen, kleine Boote am Pier packen Tauchflaschen und Touristen ein. Im Hintergrund lauern die riesigen Kreuzfahrtschiffe.

Jeder versucht hier irgendwie sein Business zu machen. Zunächst ist es auch nervig, wie man bedrängt wird, etwas zu kaufen oder essen zu gehen. Schnell merkten wir aber, dass dies Teil des Geschäftes mit den Kreuzfahrern ist. In den eigentlichen Wohnbereichen der Insulaner und am Sonntag ist der Eindruck gänzlich anders.

 Durch Karola bekommen wir bei den abendlichen Diskussionen Einblicke in ihre Arbeit, was auch unseren Blick auf die Insel stark beeinflusst. Vor allem vermittelt sie uns Eindrücke über das Leben auf der Insel, die wir als “normale” Touristen so wohl kaum erhalten hätten. 14 Tage sind wir hier, und so leisten wir uns den Luxus mit viel Zeit unsere neue Umgebung zu erkunden. Mit einem Roller geht es über die Insel. Es wird für uns, die wir nie in Mexiko und Mittelamerika gewesen waren, schnell spannend.

Baden, Schnorcheln und am Meer sitzen mit dem Blick auf Unendlich werden für uns die abwegslungsreichen und angenehmen Begleiter einer Bildungsreise.  

Die Mayas errichteten hier einen Tempel der Fruchtbarkeit, der Pilgerstation für Paare wurde. Bei Vollmond hatten die Menschen Ansteuerungspunkte im Westen, Norden und Süden, weil sich in besonderen Tempelbauten das Licht brach. – Das Festland ist zwar für mich auf dem Balkon sichtbar, eine Fahrt mit einem offenen Kajak würde ich bei der Distanz aber nicht wagen –  . Die Boote damals bestanden aus einem einzigen ausgeschnittenen Baumstamm. Es war bestimmt auch sehr romantisch, wenn die Menschen auf den Steinwegen, die durch Sand und Mörtel bei Vollmond besonders leuchteten, auf dem Weg zum Tempel waren. So entstanden einfache Orientierungsformen und über die Auseinandersetzung mit dem Vollmond und der Fruchtbarkeit unser Kalender. Besonders hat uns das Hurrikanfrühwarnsystem beeindruckt. Besagte Navigationsbauten hatten eine windzugewandte Öffnung, so dass der eintretende Wind in ein Labyrinth traf, was zu einem weithin hörbaren Warnton führte. Vielleicht hatten  aber viele schon selbst gemerkt, dass es für eine Überfahrt mit dem Kanu zu windig war.

Gebaut und geschuftet wurde von Sklaven, die man in den kriegerischen Auseinandersetzungen mit anderen Stämmen geraubt hatte. Auch wenn die architektonische Leistung einer geraden Wand, nur mit einem Faden als Hilfsmittel erstellt, beeindruckt, möchte ich nicht wissen, wie es sich anfühlt, wenn man mit der flachen Hand Steine schleifen musste.

Die Oberschicht ließ durch das Auflegen von Holzplatten die Köpfe des Nachwuchses so deformieren, dass sie klar als Klasse erkennbar waren. Ein herabhängender Faden zwischen den Augen sollte das Schielen befördern! Merkwürdige Formen, sich sozial abzugrenzen. Grausam und geschickt verhielten sich auch die Spanier, die wie eine Hamburger Zeitung ! 1521 berichtete, Yucatan entdeckten. Sie nutzten die im Christentum negativ konnotierte Schlange, um das hier vorherrschende andere Verständnis des Tieres, das mit der Gottheit der Fruchtbarkeit in Form meist einer alten Frau dargestellt wurde, als Legitimation, die Mayas für mit dem Teufel im Bunde zu denunzieren und damit die Unterwerfung zu rechtfertigen. In den am meisten umkämpften Gebieten der Mayas errichteten sie später die katholischen Kirchen.

Geschichtliche Bildungsreisen dieser Art haben wir abschließend mit ein paar Tacos, einer Guacamole und einem Sol, wie das heimische Bier hier heißt, auf uns wirken lassen. Als Gag für die Kreuzfahrttouristen steht auch auf dem Etikett jeder Flasche in allen möglichen Sprachen (auch arabisch!) ins Spanische übersetzt der Satz : ” Ich möchte ein Sol/ Bier bestellen”. 

Wir haben durch Karola das Glück in die ursprünglichen mexikanischen Lokalitäten zu kommen. In einer Tacoteria essen wir richtig leckere feine Tacos und können gar nicht die ganze Vielfalt ausschöpfen. In einer Cantina erleben wir, wie echte mexikanische Lebensfreude sich anfühlt, wenn die Mariachis von Tisch zu Tisch gehen, Musikwünsche aufgreifen und vor allem textsicher und leidenschaftlich von den Gästen im Gesang unterstützt werden.

Schnell sind unsere geplanten Tage um und es zieht uns weiter nach Süden. Wir wollen noch einen Abstecher nach Belize machen.

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